Gedanken zur deutschen Medienlandschaft mit speziellem Bezug zur US-Serie

Die Artikel in den Feuilletons der altbewährten, nennen wir sie hier einfach mal, seriösen Presse häufen sich: Die deutsche Hochkultur verabschiedet sich vom linearen Fernsehen und widmet sich immer mehr dem US-Serien-Schauen. Ob es gestern die Welt war (ich weiß, ich gehe hier mit dem Begriff seriöse Medien etwas locker um), vor einigen Wochen die Berliner Zeitung oder sogar die FAZ. Der Tenor ist immer derselbe, die hochwertigen US-Serien sind bei uns im Kommen, finden immer mehr Fans und leben wohl vor allem von DVDs und nicht zuletzt auch von Torrents. Die Frage die mich nun beschäftigt, ob und wie kann die vorhandene Medienlandschaft davon profitieren? Es gibt da ja durchaus einige Stellen im Internet, die sich seit jeher intensiv mit dem Thema US-Serien auseinandersetzen, in verschiedenster Form und mit verschiedenen Schwerpunkten, eine gewisse Infrastruktur ist also bereits vorhanden.

Erste Anlaufstelle dürfte dabei sicher für die meisten Serienjunkies mit seiner Mischung aus aktuellen News und Reviews sein, gerade wenn man den Schwerpunkt auf die eher anspruchsvollen Serien legt. Mein angestammtes Zuhause myFanbase ist für mich natürlich schwer von außen zu betrachten, da ich wohl für vieles zu sehr den internen Blick habe und ich auch die Wahrnehmung nach Außen, ob die Seite als Lieferant für anspruchsvollen Kontext überhaupt aufgefasst wird, nicht einschätzen kann. Zweifelsohne leidet myFanbase aber darunter, dass es eben nicht von Profis betrieben wird, und kann unter den zurzeit gegebenen Vorraussetzungen nicht ganz oben mitspielen. Alle anderen serienübergreifenden Angebote, die ich selbst kenne und die mir durch gezieltes Googeln angeboten wurden, scheinen mir bisher eher noch auf dem Prinzip Fakten- und Linksammlung aufgebaut zu sein (Seiten wie wunschliste und fernsehserien.de). Die Frage die mich hier beschäftigt ist die, ob sich mit dem Boom der US-Serie in immer breitere Schichten, besonders der losgelöst von der deutschen Fernsehausstrahlung auch eine ähnliche TV-Serien-affine Kultur im Netzt entwickeln könnte, wie sie in den USA entstanden ist? Oder kann man davon ausgehen, dass der deutsche Nutzer sich gleich an eben solche US-Seiten widmet, wie ich es ja auch hier mit meinen Linkssammlungen propagiere?

Und wenn es möglich ist, gelingt es dabei eher den bewährten Marken (wie eben Serienjunkies) den Boom für sich zu nutzen, oder sind die Chancen für ein völlig neues Magazin vielleicht sogar besser, welches nicht mit vorgefertigten Meinungen zu kämpfen hat? Oder werden wir weiterhin eine eher verstreute Medienlandschaft haben, in der das Thema ab und zu an anderer Stelle auftaucht, egal ob bei einem der großen Zeitungen oder bei einem Blogger, der sich von Zeit zu Zeit dem Thema widmet? Das Konzept beispielsweise hinter dem Magazin torrent geht für mich persönlich nahezu in die ideale Richtung, ein anspruchsvolles, durchdachtes Magazin für komplexe Serien, angetrieben vom inhaltlichem Anspruch und journalistischen Ideen, aber durch die Konzentration auf den Printbereich, fehlt mir etwas der aktuelle Bezug.

Letztendlicher Auslöser für diesen Artikel, mit dessen Kernfragen ich mich durchaus schon länger herumschlage, war aber der heute erschienene Artikel von DWDL anlässlich von deren 10 000. Facebook-Fan. Im letzten Abschnitt steht dort:

Stattdessen war es uns wichtig, dass unsere Berichterstattung für Kollegen verlässlich, glaubwürdig und attraktiv ist und wir so durch Zitate in anderen Medien Aufmerksamkeit und neue Leser gewinnen. Das braucht einen längeren Atem als technische Optimierungen, ist aber nachhaltiger und nicht darauf angewiesen, wie Google seine Suchmechanismen verändert. Oder verkürzt ausgedrückt: Wer sich immer schon über die Inhalte definiert hat und damit überzeugte, hat bei Social Media größeren Erfolg. Weil kein technischer Kniff mehr zählt sondern die Meinung einzelner Menschen. Die muss man überzeugen. Und nichts optimieren. Wir freuen uns, dass es uns offenbar irgendwie ganz gut gelingt.

DWDL ist für mich eines der besten Beispiele, wie man durch journalistische Integrität und eben durch gute Arbeit Erfolg haben kann. Natürlich bin ich nicht immer mit allem einer Meinung, was die Herren Lückerath, Krei und Mantel dort posten (zumal das Thema Serien bei DWDL ja auch eher untergeordnet ist), aber ich respektiere sie für die Art und Weise, wie sie an ihre Arbeit herangehen.

Gerade das Thema Social Media ist dabei ein ganz wichtiges. DWDL nutzt Twitter und Facebook sicher vorbildlich, aber aus meiner Sicht fehlt mir hier in Deutschland völlig diese Bereitschaft, beispielsweise über Twitter ein gewisses Miteinandergefühl einer Branche nach außen zu transportieren. Die meisten meiner Entdeckungen in der US-Medienlandschaft habe ich über Twitter getätigt, dort habe ich angefangen von einigen wenigen US-Kritikern, denen ich folgte, viele andere kennengelernt, auch weil diese gerne auf gute und außergewöhnliche Posts verlinken. Es entsteht nach außen das Gefühl, dass die Vertreter dieser Branche an einem Strang ziehen, dass es auf Inhalte ankommt und man nicht eifersüchtig auf die Klickzahlen der anderen schaut. Ich als Leser habe so einige gute Seiten kennengelernt und bin durchaus auch treuer Anhänger von vielen davon. Wieso gibt es das bei uns so nicht, oder bin ich mir nur dessen nicht bewusst? Wäre es nicht auch schön, wenn die Branche öfter mal einen Dialog untereinander führen würde, aber eben über die Grenzen der Personen hinaus, die man auch im echten Leben kennt? Über TV-relevante Themen, so das Potential von Twitter voll ausschöpfend und auf diesem Wege für sich selbst durch kluge Meinungen Werbung machen? Oder ist die von mir hier als Branche bezeichnete Szene zu klein und zu unbedeutend, um dies überhaupt zu ermöglichen. Oder herrscht eine gewisse Befangenheit, weil es eben nicht um deutsche Kultur (also auch deutsche TV-Inhalte) geht, sondern um sozusagen aus den USA geborgte Dinge?

Wenn ein Dialog auf Twitter über die von mir gewünschten Themen entsteht, dann meist doch nur vereinzelt von einem Magazin nach unten in Richtung ihrer Leser, ganz selten aber eben zwischen verschiedenen Publikationen. Ich selbst sehe das ja immer nur durch den Blick des Laien, mir fehlt der persönliche Kontakt zu richtigen Journalisten, d.h. ich werde von diesen selbst auch immer nur als eine Art Fan wahrgenommen. Und das ist OK, ich will mir ja hier nicht irgendwie selbst eine Legimitation verschaffen, sondern ich wünsche mir ein bisschen das Gefühl, dass wir als Fans guter und anspruchsvoller Unterhaltung die Möglichkeiten des Internets und der durch Social Media gegebenen Kommunikation voll ausnutzen. Das mehr gute Texte in deutscher Sprache entstehen und parallel dazu ein Netzwerk, über den diese verbreitet werden. Vielleicht sollte ich deshalb auch bei mir anfangen und nicht immer nur die US-Seiten verlinken.

4 comments so far

  1. moo talaei (@mootalaei) on

    Ach, Cindy, wie gut, dass wir uns nächste Woche sehen und ich hier jetzt nicht bis in die Nacht einen fetten Roman runterschreiben muss. 😉

    Nur soviel:
    Ich glaube das Hauptproblem liegt nicht an den nicht-deutschen Inhalten per se, als einfach daran, dass das wirtschaftliche Interesse an einer lebhaften Serienkultur in den USA einfach deutlich stärker ausgeprägt ist (weil sie sie ja selbst produzieren und damit Geld verdienen wollen) und die Networks bzw. Studios die (Kritiker-)“Branche“ dementsprechend auch deutlich stärker fördern. Das heißt, Kultur-Journalisten kriegen Screener, Promo-Material, Interview-Gelegenheiten etc. pp., während hierzulande offenbar nicht mal zu einem neuen Senderstart von RTL die Rechte an Bildern von Modern Family rausgerückt werden. Die „Infrastruktur“ ist in dem Sinne also noch schrecklich verkümmert, wohl weil die (Sender-/Vertriebs-)“Branche“ hierzulande (ähnlich der Musikindustrie) einfach nicht so ganz rafft, dass es längst an der Zeit wäre, sich den Konsumgewohnheiten der Menschen und dem digitalen Fortschritt anzupassen.

    Davon abgesehen:
    Wenn die Deutschen Serien mittlerweile wirklich hauptsächlich auf DVD konsumieren, schauen sie sie zeitversetzt, während die Amis alle am selben Abend vor dem Fernseher sitzen und sich so am Tag drauf eben deutlich einfacher ein Diskurs bildet. Wenn man sich also (wie du bei „torrent“) nach aktuellem Bezug und einem regeren Austausch sehnt, fehlt es im Endeffekt also einfach an der Zahl der Zuschauer/Leser, die auf demselben Stand sind. Außerdem kann so ein Austausch aufgrund der mangelnden Infrastruktur hierzulande eben auch bloß in einer rechtlichen Grauzone stattfinden, was es eben auch schwierig macht, sich als professionelles Medium à la Hitfix oder AV Club zu etablieren.

    • tvaddictfromgermany on

      Ja, ich denke auch ein Schwerpunkt auf aktuelle, folgenbezogene Reviews ist eher unwahrscheinlich und wird sich wirtschaftlich eher nicht rechnen, dafür guckt halt jeder zu ’nem anderen Zeitpunkt, aber eine anspruchsvolle Plattform zu eher themenübergreifenden Artikeln, die vielleicht auf einem aktuellen Vorfall (wie auch immer der geartet ist) beruhen, davon träum ich noch ein bisschen weiter. 🙂

  2. Christian Spließ (@NGC6544) on

    Was die Wahrnehmbarkeit von MyFanbase anbelangt, kann ich Dich beruhigen – du bist einer der Seiten, die ich als Newslieferant gebookmarkt habe. 🙂

    • tvaddictfromgermany on

      Ah, danke für das Feedback. 🙂 Man ist ja von Innen heraus immer so schlecht in der Lage einzuschätzen, wie man wahrgenommen wird. Da ja myFanbase auch einen sehr Teen- und Frauenserien-lastigen Schwerpunkt hat, frag ich mich als Schreiberin für die von euch so schön als komplexe Serien bezeichneten Shows ja immer ein wenig, ob dieser Teil der Seite überhaupt genügend zur Geltung kommt.


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