Battlestar Galactica „Bastille Day“

Beim ersten Mal, als ich „Bastille Day“ gesehen habe, hatte ich offensichtlich die DNA der Serie noch nicht wirklich verinnerlicht, denn die Folge hat mich damals doch um einiges verunsichert. Es hat für mich insgesamt ziemlich lange gedauert, bis ich mit dem Charakter Tom Zarek, der hier zum ersten Mal eine prominente Rolle spielt, warm wurde. Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es gerade diese Figuren wie Zarek sind, die einen wichtigen Aspekt der Show ausmachen. Das hat wenig mit dem kleinen Fan-Gimmick zu tun, dass Zarek-Darsteller Richard Hatch in der Originalauflage den Captain Apollo spielte (was aber in dieser Episode natürlich einen zusätzlichen Reiz jenseits der eigentlichen Handlung ausmacht). Es ist vielmehr die Tatsache, dass über Charaktere wie Zarek der Zuschauer immer wieder seine Loyalität zu den Protagonisten überprüfen muss. Dass man sicher geglaubte Machtverhältnisse und die Erkenntnis, wer hier nun im Recht ist, immer wider in Frage stellen muss und dabei einfach immer an den unangenehmen Punkt kommt, dass man noch so gute Absichten haben kann, man kann dennoch immer ob gewollt oder nicht großen Schaden anrichten.

Alan Sepinwall vertritt in seinen Reviews oft die These, dass eine gute Serie seine Zuschauer darin schult, wie man eine Serie auffassen und verstehen kann, und als ich „Bastille Day“ zum ersten Mal gesehen habe, war ich offensichtlich noch nicht bereit, mich auf die moralischen Grautöne von BSG wirklich einzulassen, Ich weiß noch, wie sauer ich war, dass man Apollo den Triumph gegen Zarek gönnte, dessen angeblichen Todeswunsch zu diagnostizieren. In meinen Augen hat das alles was der vorher in Bezug auf die herrschende Klasse (die nun einmal mittlerweile von unseren Helden Adama und Roslin vertreten wird) durchaus zu recht bemängelte, zunichte gemacht. Ich war damals noch zu sehr im Schwarz-Weiß-Denken gefangen, dass wenn Zarek unlautere Motive hat, seine guten Ansätze damit auch von der Serie negiert werden.

Mittlerweile weiß ich aber, dass Zarek genau wie die Protagonisten vielschichtig ist, dass sich die richtigen Motive mit den falschen abwechseln, und das jeder Zuschauer für sich ausmachen muss, in welche Kategorie welches Beispiel fällt. Der wichtigste Punkt den man dabei beim Schauen von „Battlestar Galactica“ lernen sollte, ist das die Serie einem so gut wie nie vorgibt, was man denken soll. Sie stellt sich eigentlich immer die Herausforderung, gewohnte Denkmuster mit gegensätzlichen Theorien auf deren Schwächen zu untersuchen, und dabei wird viel Wert darauf gelegt, eben keine feste Seite zu beziehen. So viel Zarek als auch Adama hier davon philosophieren, dass Apollo sich für eine Seite entscheiden muss, die Serie als solche wird dies in ihrem gesamten Verlauf nie tun und damit den Zuschauer immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Ich liebe diesen Aspekt, denn so werden unzählige gesellschaftliche, menschliche und philosophische Theorien angesprochen und auf ihre Stärken und Schwächen durchleuchten, die wahre Lösung wird aber nie auf dem Silbertablett präsentiert, die muss der Zuschauer immer mit seinem Gewissen ausmachen. Und meist heißt das eben, dass es keine saubere Lösung für viele Probleme gibt.

Kommen wir aber nun nach diesen eher allgemeinen Ausführungen wirklich einmal zur Episode, die bei mir wie erwarten (nachdem ich eben mittlerweile einen Zugang zum Zarek-Charakter gefunden habe) wesentlich besser ankam, als noch beim ersten Mal. Deshalb interessiert mich hier natürlich die Meinung der Neulinge, wie auf sie dieser Charakter bei dessen erster Einführung wirkte.

Besonders wichtig war „Bastille Day“ aber für unsere Meinung über Lee. Er hat ja nun durchaus seine Tendenzen zum Heiligtum, der liebe Apollo (weshalb ich den Vergleich hier zum göttlichen Namensgeber, besonders natürlich mit Zareks lapidarer Bemerkung „Zeus calling“) sehr gelungen fand und es war eine Wohltat, diese hier hinterfragt zu sehen. Zarek hat Apollos naiven Idealismus einerseits gut ausgenutzt, andererseits hat Lee endlich einmal die Initiative ergriffen und autoritär gehandelt. Ich hab mich bei seiner Lösung des Konflikts rund um Callie, während der Stürmung des Gefängnisschiffs, dass erste Mal bei meinen Rerun dabei erwischt, ihn anzufeuern. Das hatte er wirklich dringend nötig. Wahrscheinlich hat Apollo innerhalb des BSG-Gefüges so ein wenig das gleiche Problem, wie so manche Ehefrau von typischen Antihelden in Serien wie „Breaking Bad“ und „Mad Men“. Er ist immer so getrieben von seinem Idealismus, möchte alles richtig und es dabei jedem Recht machen, ohne dass seine eigenen Motive einen starken Raum einnehmen, dann hat er dazu noch die engelshaft-hübsche Gesicht und dabei wirkt er einfach so viel langweiliger als die facettenreicheren Charaktere wie ein Baltar, Starbuck oder auch ein Colonel Tigh. Es ist eigentlich auch nicht richtig fair, ihn immer wieder als den Langweiler anzusehen, er hat durchaus seine Berechtigung, sozusagen als gutes Gewissen der Serie. Aber es ist wichtig, dass er wie hier auch ab und an mal ein Macher sein kann.

Durchaus gelungen empfand ich dabei auch den Kompromiss rund um die bevorstehenden Wahlen, auch wenn Apollo da noch nicht von der Komplikation durch Roslins Krankheit ahnte. Ich weiß ja nicht wie es den anderen Zuschauern ging, aber der Gedanke an die Legitimität der Regierung Roslin unter diesen extremen Umständen ist mir bis dato nie durch den Kopf gegangen. Aber gerade unter dem Gesichtspunkt, dass es in der Serie auch darum geht, was den Menschen als Spezies ausmacht und zumindest theoretisch von den Cylons abhebt (und natürlich auch immer unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass die Serie ein breit angelegtes Gleichnis darstellt für die amerikanische Weltmachtsstellung, deren Kampf mit dem Terror usw.) ist es eine wichtige Frage.

Was sich immer mehr für mich heraushebt ist die Tatsache, dass Laura Roslin auch trotz ihrer anfangs geringen Erfahrung, kein politisches Leichtgewicht ist und sie auch ohne selbst jemals in einer derart verantwortungsvollen Position gewesen zu sein, stark in der Lage ist, Lehren aus ihrer politischen Vorbildung zu ziehen und das sie vor allem ganz im Gegensatz zu einem Mensch wie Lee eine bereits ausgeprägte und gefestigte Position zu vielen Themen hat. Neben dieser Souveränität wirkt sie dann am Ende der Episode, ohne ihr normales Präsidentinnenkostüm (dass für sie ebenfalls eine Art Uniform ist), umso verletzlicher, als ihre Krankheit wieder zur Sprache kommt.

Am Rande des Hauptgeschehens bekommen auch Kara und Colonel Tigh wieder einmal ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wobei mich dabei wirklich besonders ihr effektives Zusammenarbeiten gefreut hat. Natürlich war dies nur von kurzer Dauer, wobei ich mich aber Frage, ob die Stimmung vielleicht sogar etwas besser verblieben wäre, hätte Starbuck auf ihr Versöhnungsangebot verzichtet.

Die anderen Geschichte, besonders um Boomer und Helo und deren Ebenbild, werden heute zwar kurz angeschnitten, die wirklichen weiteren Schritte liegen da aber offensichtlich auch noch vor uns. So wie uns in der letzte Woche kurz die Trinkflasche von Tigh auf dessen Konfrontation mit Starbuck vorbereitet hat, legt man hier offensichtlich Grundlagen für weitere Entwicklungen.

Baltar konnte in dieser Woche doch wieder wesentlich stärker überzeugen als in der Folge zuvor, besonders die herrliche Szene in Adamas Quartier, in der Six ihm die Worte in den Mund legt, hat eine ganze Palette von Emotionen von James Callis abverlangt. Ich fand diese unheimlich gelungen umgesetzt, sowohl von der Schauspielleistung, als auch vom Arrangement der drei Darsteller und der Kamera um sie herum. Göttlich war dabei aber natürlich Baltars Überraschung bezüglich seiner eigenen Worte, aber auch kleine Details wie Adamas Wassersparen wussten zu gefallen.

Weiterführende Links:

1 comment so far

  1. Horsebot 3000 on

    Puh, eine sehr ambitionierte und voll gepackte Episode. Bei so vielen schwierigen Themen auf einmal (Sklaverei-Debatte, genereller Umgang mit Gefangenen, Terrorismus, Meuterei, Geiselnahme, Rechtmäßigkeit der Regierung, etc.) fällt es nach dem ersten Schauen wirklich schwer, ein vernünftiges Urteil zu fällen. Von meiner Seite läuft es daher wohl bloß auf ein langweiliges „was hat (nicht) gefallen“-Fazit hinaus. 😉 Gleich vorweg: Ich war sehr positiv überrascht, wie die Wasserthematik in dieser Folge aufgegriffen bzw. fortgeführt wurde. Meine Befürchtung beim letzten Mal, dass das nur das „Problem der Woche“ darstellt und als solches gleich wieder vom Tisch ist, hat sich somit – zum Glück – nicht bewahrheitet. Das gibt auf jeden Fall einen ordentlichen Pluspunkt in Sachen Kontinuität, zumal es auch noch so gut als Katalysator für die neuen Entwicklungen und Probleme funktioniert hat. Weiterer Pluspunkt: Zu den Charakteren hat man dank des eindeutig vorhandenen roten Fadens (z.B. Tighs Alkoholproblem und der fortwährende Konflikt mit Starbuck) nach den wenigen Episoden schon einen erstaunlich engen Bezug aufbauen können – sehr fein.

    Mein Hauptinteresse galt diesmal (wieder) der Roslin/Apollo/Adama-Interaktion, v.a. als dann gegen Ende die Frage nach der Legitimität der Regierung aufkam. Toll gemacht, wie diese an sich so nahe liegende und doch erst durch die Ausnahmesituation angestoßene Debatte nun im Raum steht. Die diesbezüglichen Überlegungen und Standpunkte finde ich allesamt spannend und eben erfreulich differenziert dargeboten. Mit dem Terrorismus-Aspekt tu ich mich im direkten Vergleich dazu noch ein wenig schwer, was vielleicht aber auch damit zusammenhängen mag, dass dieses Thema wegen „Homeland“ gerade so überpräsent ist. 😉 Noch hab ich jedenfalls kein ganz klares Bild von Tom Zarek und bin in erster Linie gespannt, welche Rolle er künftig spielen wird. Seine Argumentation regt zweifellos zum Nachdenken an, was schon einmal ein gutes Zeichen dafür ist, dass auch hier keine Schwarz/Weiß-Malerei betrieben wird. Ja, doch, sehr viele sehr vielversprechende Ansätze in dieser Folge. Und ganz nebenbei: Die Vater/Sohn-Dynamik schien mir diesmal wieder deutlich stimmiger als beim letzten Mal.

    Sehr zufrieden war ich auch noch mit dem Baltar/Adama-Gespräch, und das nicht zuletzt deshalb, weil man dabei auch einmal eine andere Seite von Six kennengelernt hat. Hätte ich ihren Wutausbruch nicht schon im Vorspann gesehen (selber schuld, hab wieder nicht weggeschaut), wäre ich bestimmt ordentlich erschrocken. Wenig überraschend geht es indes auf Caprica weiter, da ja eigentlich von Anfang an klar war, dass Helo von Boomer ganz bewusst manipuliert wird. Dennoch bin ich neugierig, worauf dieser Teil der Handlung im Endeffekt hinausläuft. Und nach dem vielen Lob noch zwei kleine Kritikpunkte zum Schluss: Den in der Miniserie von Caprica geretteten Jungen fand ich in Verbindung mit Starbuck ziemlich anstrengend, ebenso wie den vergleichsweise plakativen „freedom fighter vs. terrorist“-Konflikt, welcher ausgerechnet zwischen unseren beiden Turteltäubchen ausgebrochen ist. Mal schauen, ob ich mich irgendwann einmal mit der (potentiellen) Billy/D-Paarung anfreunden kann. Noch mag ich sie nämlich als Einzelpersonen wesentlich lieber, außer wenn Roslin zum amüsanten Seitenhieb in ihre Richtung ausholt. 😀

    Ach, und danke für den Hinweis bzgl. Battlestar Wiki!


Hinterlasse einen Kommentar